Im rumänischen Dorf Rosia in Transsilvanien ist Kunst zur gemeinsamen Sprache geworden. Prof. Dr. Ulrika Eller-Rüter von der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft Alfter/Bonn hat das Kunstprojekt „verstrickt und verwoben“ konzipiert, initiiert und gemeinsam mit Studierenden aus ihrer Klasse umgesetzt. Mit Victoria Betzing, Julia Engler, Mia Jansen, Seline Reber und Elena Wolff entstand im Rahmen einer Studienreise im September 2025 aus Haus Nr. 197 ein lebendiger Ort der Begegnung.
Die Bevölkerung in Rosia ist seit Jahrhunderten gespalten, was sich bis in die topografische Struktur der verschiedenen Wohnareale zeigt. Im Oberdorf leben überwiegend ältere Rumän:innen, während im sogenannten Unterdorf Roma wohnen, die unter Ceausescu zur Sesshaftigkeit gezwungen wurden und als Bevölkerungsgruppe seit Jahrhunderten Diskriminierung erfahren. Sie leben meist als Großfamilien mit vielen Kindern und geringem Einkommen in Einraumhäusern und müssen ihren Alltag in Armut bewältigen.
Gemeinsames Arbeiten mit Textilien
Mit dem Kunstprojekt „verstrickt und verwoben“ luden Ulrika Eller-Rüter und ihre Studierenden Kinder, Jugendliche, Mütter und Großmütter aus beiden Teilen des Dorfes dazu ein, gemeinsam in Haus Nr. 197 mit Textilien zu arbeiten und gemeinschaftliche Gewebe zu schaffen. Während die Romafrauen voller Experimentierfreude aus Bergen von Stoffresten Textilbilder, -objekte und -collagen gestalteten, strickten, stickten, häkelten und klöppelten die rumänischen Witwen in traditioneller Handarbeitsmanier. Aus den vielen einzelnen, unterschiedlichen Stoffobjekten komponierte das Künstlerinnen-Team der Alanus Hochschule schließlich drei große Wandbilder.
„Auch wenn die kulturellen Grenzen und die jahrhundertalten Vorurteile sowie der Rassismus der rumänischen Bevölkerung gegen die Roma mit einem solchen Projekt nicht auf einmal überwunden werden können, so ist doch faktisch im Material eine Verbindung als Gewebe entstanden, an dem alle mitgewirkt und gemeinsame ,Fäden‘ gewoben haben“, erklärt Ulrika Eller-Rüter. Eine der Textilarbeiten wurde zentraler Bestandteil der Ausstellung im Studio 36 in Sibiu, ergänzt durch die Zeichnungen, Malereien und Grafiken, die im Gepäck der Studierenden aus Alfter mitgereist waren.
Fokus auf weibliche Perspektiven
„Das Kunstprojekt bekam, ohne dass dies eigens intendiert war, auch eine feministische Note, weil fast nur Frauen mitgewirkt haben“, so Eller-Rüter. „Und was ist passiert? Der sogenannte Weiberkram, der Umgang mit Textilien und die typische Handarbeit, wurde in den Experimenten mit dem Material und in den drei Wandteppichen zu Kompositionen geadelt. Das geklöppelte Tischdeckchen, das Fragment eines Kleidungsstücks und der kunterbunte, poppige Stoff wurden auf einmal zu Bildern. Außerdem haben die Mitwirkenden im Gewebe tatsächlich die Grenzen überschritten zwischen Ober- und Unterdorf, alt und jung, arm und gut situiert.“
Auch die Fassade von Haus Nr. 197 erhielt im Verlauf des Projekts ein neues Gesicht. Gemeinsam mit einzelnen Dorfbewohner:innen gestalteten die Studierenden unter der Regie von Julia Engler farbenfrohe Bilder aus der Pflanzen- und Tierwelt Rumäniens. Das Haus ist nun schon von weitem sichtbar und steht als Zeichen für Kreativität und Lebensfreude. Und das Projekt wirkt über die Reise hinaus, denn die Dorfbewohner:innen werden das Haus weiterhin als Plattform für Kommunikation und Kreativität nutzen.
Förderung durch das PROMOS-Programm
Die Studienreise nach Rumänien wurde durch das International Office der Alanus Hochschule im Rahmen des PROMOS-Programms finanziell unterstützt. PROMOS ist ein Programm des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), das aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird und Studierenden internationale Lernerfahrungen ermöglicht. „Wir waren begeistert von der interkulturellen Ausrichtung der Reise, die den teilnehmenden Studierenden neue Perspektiven eröffnet hat“, sagt Leoni Bremer vom International Office. „Solche Projekte stärken die internationale Vernetzung und künstlerische Vielfalt an der Alanus Hochschule nachhaltig.“
Langjährige Projektarbeit in Rosia
Bereits in den Jahren 2008 bis 2020 hatte Ulrika Eller-Rüter in Rosia ein von der EU gefördertes Kunstprojekt im Rahmen des Programms COMENIUS realisiert. Gemeinsam mit dem Soziologen und damaligen Alanus-Professor Michael Brater entwickelte sie unter dem Titel „Was kann Kunst? Kunstprojekte fördern benachteiligte Schüler:innen“ (KUSCH) ein Konzept, das sich gegen 450 andere Bewerbungen durchsetzte und mit 200.000 Euro gefördert wurde. Aus diesem partizipativen Projekt gingen umfangreiche Wandgestaltungen hervor, die bis heute in der Hans-Spalinger-Waldorfschule in Rosia zu sehen sind. Sie sind nach wie vor gut erhalten und zeugen von der nachhaltigen Wirkung künstlerischer Bildungsarbeit.
Projektleitung:
Prof. Dr. Ulrika Eller-Rüter
Mitwirkende Künstlerinnen:
Victoria Betzing, Julia Engler, Mia Jansen, Seline Reber, Elena Wolff
Gruppenbild v. l.: Seline Reber, Victoria Betzing, Julia Engler, Ulrika Eller-Rüter, Elena Wolff, Mia Jansen
Fotos: Ulrika Eller-Rüter