Vor zehn Jahren wurde auf dem Gelände des Mannheimer Studienzentrums der Alanus Hochschule die Freie Fachschule für Sozialpädagogik Mannheim gegründet. Ausgangspunkt war eine zivilgesellschaftliche Initiative mit einem klaren pädagogischen Profil: waldorfpädagogisch orientiert, sozial inklusiv und bildungsbiografisch durchlässig. Was als kleines Projekt begann, ist heute Teil eines bundesweit einzigartigen Bildungsnetzwerks, das auf dem Mannheimer Campus entstanden ist. Hier verbinden sich Fachschule, Hochschule und Forschung auf besondere Weise.
Seit 2017 kooperiert die Fachschule eng mit der Alanus Hochschule, auch personell durch Überschneidungen im Leitungsteam. Nach der erfolgreichen Bewältigung aller Genehmigungsverfahren bis 2019 – federführend durch Schulleiterin Franziska Hüning – entwickelte sich die Fachschule rasant. Auch die organisatorische und inhaltliche Zusammenarbeit ist kontinuierlich gewachsen: Aus der Nutzung einzelner Räume wurden gemeinsam genutzte Gebäude, aus punktuellen Kontakten entwickelte sich ein strukturierter Austausch. Heute gehören zum Campus neben Hochschule und Fachschule auch die Akademie für Waldorfpädagogik und ein Seminar für Waldorferzieher:innen. Geteilte Ressourcen wie Bibliothek, Theatersaal oder Wohnheimplätze sind sichtbare Zeichen der engen Verbindung – weit wichtiger aber sind die pädagogischen Synergien.
Fachliche Brücken durch gemeinsame Lehre
Zentral für das synergetische Konzept ist die Durchlässigkeit zwischen beruflicher Ausbildung und akademischer Bildung. Dozierende, die an beiden Institutionen unterrichten, schaffen fachliche Verbindungen zwischen den Bildungsgängen. Themen wie Diversität, Inklusion oder Kindheitspädagogik werden sowohl in den Ausbildungs- als auch in den Studiengängen behandelt. „Wir behandeln aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen wie Vielfalt und Inklusion übergreifend in Ausbildung und Studium. Das ist ein echter Mehrwert“, sagt Dr. Christiane Adam, die an beiden Einrichtungen lehrt und ab Herbst 2025 eine Juniorprofessur an der Alanus Hochschule antritt.
Inklusion als pädagogisch-strukturelles Pilotprojekt
Ein besonderes Beispiel gelebter Inklusion und struktureller Offenheit ist das Projekt mit einer jungen Frau, die mit Trisomie 21 lebt. Sie begann 2024 als erste Fachschülerin mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf die Berufsausbildung „Sozialpädagogische Assistenz“. Initiiert von ihr selbst, ermöglicht durch die Bereitschaft der Fachschule und unterstützt durch Prof. Dr. Ulrike Barth von der Alanus Hochschule wurde das Projekt zu einem innovativen Modell: Studierende der Heil- oder Waldorfpädagogik begleiten die Fachschülerin außerhalb des Unterrichts, sammeln dabei Praxiserfahrungen, reflektieren diese im Studium und in Abschlussarbeiten. Die Verbindung von inklusiver Ausbildung, akademischer Qualifizierung und begleitender Forschung macht das Projekt zu einem strukturell wie konzeptionell wegweisenden Beispiel für gelingende Inklusion im Bereich der beruflichen Bildung – bislang ein weitgehend unbearbeitetes Feld.
Durchlässige Bildungsbiografien: Von der Ausbildung zur Promotion
Eine weitere richtungsweisende Entwicklung am Campus ist die Ermöglichung der langfristigen Bildungsdurchlässigkeit: Eine exemplarische Bildungsbiografie beginnt mit einem Hauptschulabschluss, führt über die Ausbildung zur Sozialassistenz und zum/zur staatlich anerkannten Erzieher:in, schließt mit dem Bachelor Professional ab und ermöglicht so – je nach Bundesland – den Zugang zu einem Hochschulstudium. An der Alanus Hochschule können darüber hinaus Leistungen aus der Fachschulausbildung angerechnet werden, was zu verkürzten Studienzeiten führt. Daran kann ein Masterstudium anschließen und perspektivisch auch eine Promotion.
Dieser strukturelle Durchstieg bleibt bislang die Ausnahme, doch der Campus in Mannheim zeigt: Er ist möglich. Und er wird hier schrittweise sichtbarer. Bereits heute nehmen Fachschüler:innen an Tagungen, Ringvorlesungen und hochschulöffentlichen Veranstaltungen teil – ein niederschwelliger Zugang zur akademischen Welt. Ideen für weitere Anschlussmöglichkeiten sind ausgewählte Lehrveranstaltungen, die gemeinsam konzeptioniert und als akademische Elemente in die Fachschulcurricula integriert werden, mit dem Ziel, nicht nur punktuell, sondern auch strukturell Bildungsbrücken bereitzustellen.
Ein Modell mit bundesweiter Relevanz
Die Bildungsdurchlässigkeit am Campus in Mannheim steckt noch in den Kinderschuhen, aber es zeigt sich schon jetzt ein exemplarisches Modell für das, was in der Bildungslandschaft oft gefordert, aber selten realisiert wird: echte Durchlässigkeit, institutionenübergreifende Kooperation und gelebte Inklusion. Was hier entwickelt wird, ist nicht nur ein pädagogisches Experiment, sondern ein professionell begleitetes, wissenschaftlich beforschtes Modell, das Potential hat, Strahlkraft über die Region hinaus zu entfalten. Es verdeutlicht, dass ein gleichberechtigter Zugang zu Bildung – unabhängig von sozialer Herkunft, Bildungsabschluss oder individuellen Voraussetzungen – möglich ist, wenn Strukturen es zulassen.
Gerade im Hinblick auf die Herausforderungen der beruflichen Bildung, auf demografischen Wandel und Fachkräftemangel in pädagogischen Berufen, könnten Ansätze wie dieser eine wegweisende Antwort sein.
Abonnieren Sie unseren Newsletter!
Sie erhalten monatlich ausgewählte Veranstaltungen und News der Alanus Hochschule direkt in Ihren Posteingang.
→ jetzt anmelden